Vernetzte Autos - Einheitliche Regeln für den Umgang mit Fahrzeugdaten zum Schutz und Wohl des Verbrauchers
Mderne Autos sind nicht nur Transportmittel, sondern zunehmend Datenproduzenten und -träger. Noch bevor der Motor zum Start brummt, empfängt heute der Hersteller bereits über unzählige Sensoren, die im Fahrzeug von ihm eingebaut wurden, eine Vielzahl von Daten, die allesamt erst bei der Nutzung vom Autofahrer generiert werden. Die Datenarchitektur des Autos obliegt einzig dem Hersteller, wodurch er allein durch die technische Kontrolle über die Daten de facto in deren Besitz gelangt und somit über die Erhebung, Speicherung, Verarbeitung, Nutzung und Weitergabe der Fahrzeugdaten in erster Linie bestimmt. Dies geschieht oftmals ohne das eigene Zutun oder gar Wissen des Verbrauchers, der meist selbst trotz Eigentum am Auto keinen Zugriff auf seine eigenen Daten hat. Der Auf- und Ausbau des automobilen Aftermarket- und Dienstleistungsbereichs ist ebenso den Konditionen der Hersteller unterworfen, die über die Zugangs- und Zustellungskanäle in den Autos ihrer Marke entscheiden, und vor allem ihre eigene Produktoptimierung auf Grundlage der Ihnen zur Verfügung stehenden Daten in den Vordergrund stellen.
Die bisherige Handhabung von Fahrzeugdaten zugunsten der Automobilhersteller schadet unausweichlich der Verbraucherwohlfahrt. Diese Schieflage gilt es zu beheben, und zwar anhand von geeigneten, einheitlichen Regeln für den Umgang mit Fahrzeugdaten.
Seit seiner Gründung in 2008 stehen im Zentrum der Arbeit des gemeinnützigen Verbraucherverbunds Europäischer Automobil-Clubs (EAC), dem derzeit sechs Automobilclubs aus Österreich, Deutschland, der Slowakei sowie Bosnien und Herzegowina angehören, die Autorfahrer in Europa. Aktuell vertritt er das gebündelte Interesse von rund 3 Millionen Autofahrern unter dem Leitsatz: Europa über die Grenzen hinweg einfach und sicher erfahrbar machen.
Für den EAC gilt auch in allen Fragen rund um die Daten in vernetzten Autos:
Der Fahrer ist das Maß aller Fahrzeugdaten.
In dem Sinne appelliert der EAC an die verkehrspolitischen Entscheidungsträger in Europa mit dem Verweis auf den dringenden Handlungsbedarf hinsichtlich des Umgangs mit Fahrzeugdaten und spricht sich für folgende Forderungen zum Schutze und Wohle des Autoverbrauchers in Europa aus:
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Transparenz über die Verarbeitung der Fahrzeugdaten
Grundsätzlich handelt es sich bei Fahrzeugdaten um personenbezogene Daten, solange und soweit sie nicht anonymisiert wurden. Das gilt, solange der (im Jargon der DS-GVO) Verantwortliche „über rechtliche Mittel verfügt, die es ihm erlauben, die betreffende Person anhand der Zusatzinformationen […] bestimmen zu lassen“,[1] wie etwa im Falle der reinen „Pseudonymisierung“, was insbesondere im EuGH-Urteil in der Rechtsache Patrick Breyer verdeutlicht wurde. Das bedeutet die Verarbeitung dieser Daten müssen durch und durch transparent und fair verlaufen. Der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher (inkl. Halter, Fahrer, Beifahrer) des Autos muss klar und verständlich über den Umfang und die Ausmaße der Datenverarbeitung informiert und aufgeklärt werden. Die Einwilligung des Fahrers zur Datenerhebung und -verwendung muss freiwillig verlaufen, ohne dass dies von einer Pfadabhängigkeit herrührt (z.B. an Versprechen gekoppelt oder unwiderruflich). Wichtig ist auch, dass im Falle einer Datenweitergabe der Verbraucher vorab Einsicht in die Daten erhält (z.B. behördliche Beschlagnahmung). Der technische und rechtliche Rahmen muss dergestalt bestehen, dass der Verbraucher mündig über seine Profil-, Personalisierungs- und Nutzungsdaten verfügen und souverän seine Rechte ausüben kann.
2. Effektive Gewährleistung der Wahlfreiheit sowie des Rechts auf Datenübertragbarkeit
Nur jeder fünfte Fahrer[2] nutzt die im Auto bereits vorhandenen datenbasierten Dienstleistungen. Die Mehrheit lässt diese jedoch ungenutzt, da sie den (Monopol-)Preis dafür nicht zahlen will oder das Serviceangebot schlechterdings uninteressant findet. Oftmals sind die Verbraucher an die gegebene Datenarchitektur ihres Autos gebunden, dadurch können sie das Angebot externer Dienstleistungen nicht vollumfänglich wahrnehmen. Eingebettet in den erforderlichen technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, muss jedoch die Wahlfreiheit des Verbrauchers zu jeder Zeit durchgreifend gewährleistet sein. Im Artikel 12 der Verordnung 2015/758 (eCall) ist bereits solch ein Auftrag an die politischen Entscheidungsträger erteilt wurden, wonach sie die „Anforderungen für eine interoperable, standardisierte, sichere und frei zugängliche Plattform“ bestimmen müssen. In der jüngeren Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO 2016/679) ist gar das Recht auf Datenübertragbarkeit fest verankert. Demzufolge muss der Verbraucher in die Lage versetzt werden, seine Daten in einem „strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format“ „einem anderen Verantwortlichen ohne Behinderung“ zu übermitteln (Artikel 20 I DS-GVO). Der Verbraucher kann sogar das Recht erwirken, dass „die personenbezogenen Daten direkt von einem Verantwortlichen einem anderen Verantwortlichen übermittelt werden, soweit dies technisch machbar ist“ (Artikel 20 II DS-GVO). Die bestehenden Regelungen und Bestimmungen, die die Wahlfreiheit der Autofahrer fördern, müssen nunmehr effektiv umgesetzt werden.
3. Zugang zu den Fahrzeugdaten auf Grundlage des FRAND-Prinzips
Monopolpreise der Hersteller verringern einschneidend die Vielfalt des Dienstleistungsangebots für den Verbraucher. Unter Nennung von Gründen der Produkthaftung und -sicherheit behalten sie sich regelmäßig den Bereich der Zugangs- und Zustellungskanäle in den Autos ihrer Marke vor. So treiben sie einseitig ihre Produktoptimierung voran und andere Marktteilnehmer aus dem automobilen Aftermarket – und Dienstleistungsbereichs bleiben auf der Strecke, welche die auslesbaren Informationen gar nicht oder nur zeitverzögert (evtl. verringert) gegen nicht einheitlich festgesetzte Entgelte erhalten, wodurch der Wettbewerb auf dem abgeleiteten Markt unmissverständlich verzerrt wird.
Der Zugang zu den Fahrzeugdaten muss daher umfassend nach dem FRAND-Prinzip[3] gestaltet werden, wonach alle Marktteilnehmer, die ein legitimes Interesse an Fahrzeugdaten haben, quantitativ (z.B. Anzahl der verfügbaren Zugangskanäle) und qualitativ (z.B. Wartezeit) gesehen einen gleichwertigen Zugang zu den vorhandenen Daten erhalten müssen – nämlich fair, angemessen und diskriminierungsfrei. Wichtig ist auch, dass der Zugang zu den unverarbeiteten, rohen Fahrzeugdaten, die als Nebenprodukt der Autonutzung entstehen, kostenfrei geschieht.
Maßgeblich für die Datenverarbeitung (Erhebung, Speicherung, Verarbeitung, Nutzung und Weitergabe und deren Weiterverarbeitung) bleibt weiterhin die Einwilligung des Fahrers, dessen Wahlfreiheit es gilt, effektiv umzusetzen.
4. Erhaltung der Sicherheit und Förderung der Innovationskraft
Der Erhalt der Vielfalt bereits existierender Geschäftsmodelle und die Förderung neuer, zukunftsweisender datenbasierter Geschäftsmodelle dürfen sich nicht gegenseitig ausschließen, wofür eindeutige technische und zugleich rechtliche Rahmenbedingungen erforderlich sind. In dem Sinne setzt sich der EAC langfristig für die Einrichtung einer offenen und interoperablen Telematikplattform im Fahrzeug ein. Dies geht mit der Forderung nach einer europaweiten, verbindlichen Standardisierung der Datenübertragungsprotokolle unter Einbeziehung aller Marktteilnehmer einher. Zu klären ist hierbei der bidirektionale Zugriff auf das Fahrzeug einerseits zum Erhalt der im Fahrzeug generierter Daten zur Erstellung der Dienstleistung andererseits zur Erbringung der Dienstleistung im Auto [über die Mensch-Maschine-Schnittstelle/Human-Machine-Interface (HMI)]. So ist der Verbraucher nicht darauf angewiesen, seine Aufmerksamkeit zwischen der HMI und der alternativen Hardware wie etwa dem Smartphone zu teilen, um die erbrachte Dienstleistung zu nutzen, welches ebenso ein hohes Gefahrenpotenzial für die Beteiligten im Straßenverkehr in sich birgt. Um unbefugten Zugriff auf das Fahrzeug oder Zugang zu den Fahrzeugdaten auszuschließen, müssen hierfür selbstverständlich höchste Sicherheitsforderungen genügen.
Angesichts der notwendigen Zeit für diese bedeutsame Entwicklung verglichen mit der Dringlichkeit der wettbewerbsrechtlichen Schieflage befürwortet der EAC kurzfristig die Umsetzung einer unabhängig betriebenen Datenplattform nach dem „Shared-Server“-Prinzip, um vor allem umgehend das derzeitig bestehende Ungleichgewicht zugunsten der Hersteller zu beheben und die Vorteile der Telematik-Technologie auch unabhängigen Drittdienstleistern zugutekommen zu lassen. Entscheidend bleibt weiterhin die Einwilligung und Freigabe des Autoverbrauchers, der über die Verarbeitung seiner Profil-, Personalisierungs- und Nutzungsdaten bestimmt, um diese über die Datenplattform an den Dienstleister seiner Wahl zu übermitteln.
[1] C-582/14 Patrick Breyer gegen Bundesrepublik Deutschland, Urteil vom 19. Oktober 2016.
[2] McKinsey, Car Data: Paving the way to value-creating mobility – Perspectives on a new automotive business model, Mc Kinsey & Company, Advanced Industries, März 2016; Bertin Martens und Frank Mueller Langer, Access to digital car data and competition in aftersales services, Digital Economy Working Paper – JRC Technical Reports, Juni 2018.
[3] FRAND (Fair Reasonable and Non-Discriminatory) Prinzip, siehe C-ITS Working Group 6 final report, Europäische Kommission, 2016.
Stand: November 2019.