Einheitliche PKW-Mautregeln für den Einheitlichen Europäischen Verkehrsraum
Vier Sommer sind nun vergangen, seitdem der EAC das Vorhaben der EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc hinsichtlich der Einführung der einheitlichen Kriterien zur Erhebung der PKW-Maut in Europa begrüßt hatte (siehe EAC Positionspapier 2015).[1] Dennoch werden die Autofahrer in Europa auch diesen Hitzesommer nicht vom Maut-Flickenteppich verschont bleiben. Jeder Grenzübertritt bleibt ein modulares Rate– und Wartespiel mit den Basisbausteinen: zeitbasiert oder streckenbezogen und Papiervignette oder elektronische Kennzeichenerfassung.
Hinzu kommt, dass selbst innerhalb des höchsten rechtsprechenden Organs der EU das Thema PKW-Maut höchst umstritten ist und zu diametral entgegengesetzten Positionen führt. Die Diskrepanz zwischen den Schlussanträgen[2] des angesehenen Generalanwalts Nils Wahl am Anfang des Jahres sowie des kürzlichen Urteils[3] der Großen Kammer in der Rechtsache C-591/17 Österreich/Deutschland zeigt den gegenwärtigen Regelungskauderwelsch auf.
Der Verband europäischer Automobilclubs (EAC) erkennt jedoch klar und deutlich das vorliegende Mobilitätshindernis und fordert – weiterhin – dessen Abschaffung durch die europaweite Mautharmonisierung. Der EAC vereint heute insgesamt sechs mitgliedsstarke Clubs aus Deutschland, Österreich, der Slowakei sowie Bosnien und Herzegowina, mithin repräsentiert er das gebündelte Interesse der weit über 3 Millionen Autofahrer in Europa.
Der EAC appelliert an die europäischen, verkehrspolitischen Entscheidungsträger, signalisiert den dringenden Handlungsbedarf und spricht sich für folgende Kernforderungen zur Förderung der grenzenlosen Mobilitätserfahrung in Europa aus:
1. Fakultative Einführung der nationalen PKW-Maut
Die einzelnen EU-Mitgliedstaaten sollen ihre Souveränität bewahren, was die Einführung von Straßennutzungsgebühren für PKW betrifft. Sie allein entscheiden über die nationalen Maßnahmen zur Finanzierung ihrer Infrastruktur. Folglich lehnt der EAC jegliche, europäische Vorgaben zur verpflichtenden Einführung einer nationalen PKW-Maut ab.
2. Gemeinsame Regelungskriterien für die nationale PKW-Maut
Dem EU-Weißbuch zum Verkehr nach benötigen heute die internationalen Spediteure zur effektiven Nutzung der europäischen Mautstraßen „die Eurovignette, fünf nationale Vignetten und acht verschiedene Mautsender und [diverse] Mautverträge“.[4] Allerdings sind solche Anforderungen für den privaten PKW-Nutzer unzumutbar. Daher benötigen wir von Anfang an einheitliche, transparente und leicht umsetzbare Kriterien, die in den Mitgliedstaaten gelten, die sich für die Maut-Einführung entscheiden. Sie stärken wiederum die Rechtsicherheit und Vertrauensschutz aller Autofahrer in Europa.
Grundsätzlich gilt, dass diese Kriterien dem Nutzer- und Verursacherprinzip gebührend Rechnung tragen. In diesem Sinne müssen LKW, die die Infrastruktur um das Mehrfache (bis zu 100.000 Mal) mehr belasten als ein PKW, stets proportional mehr Straßennutzungsgebühren entrichten. Im Umkehrschluss darf die Einführung einer PKW-Maut nicht mit der Senkung der LKW-Mautsätze einhergehen, die im Grunde zur Belastung des Personenverkehrs zugunsten einer Entlastung des Güterverkehrs führt.
Bei der Ausgestaltung der fahrleistungsabhängigen PKW-Maut müssen die besonderen Mobilitätsgegebenheiten in ländlichen und suburbanen Räumen beachtet werden, in denen bekanntermaßen das ÖPNV-Angebot verhältnismäßig weniger ausgebaut ist als in urbanen Zentren, wodurch vor allem Pendler regelmäßig auf ihr Auto angewiesen sind. Das Auto bleibt ein wichtiger Garant der Individualmobilität in diesen Regionen. Mithin ist hierbei zu berücksichtigen, dass im Rahmen einer zweisäuligen Finanzierungsstruktur, die neben der Maut als Instrument der Basisfinanzierung auch die Einnahmen aus der Mineralölsteuer zur Internalisierung externer Kosten wie CO2-Emissionen einbezieht, das Nutzer- und Verursacherprinzip eindeutig gewahrt wird. So werden Personen mit einem höheren Fahraufkommen und entsprechend höheren Steueraufwendungen verhältnismäßig stärker zur Finanzierung der Straßeninfrastruktur herangezogen.
3. PKW-Mauteinnahmen für die Finanzierung der Straßeninfrastruktur
Eine einheitliche europäische PKW-Maut muss dem Anspruch der Transparenz genügen, welcher die Zweckgebundenheit der erhobenen Straßennutzungsgebühr beinhaltet. Der zahlende Autofahrer muss darauf vertrauen können, dass die von ihm entrichteten Mautgebühren folgerichtig und durchgängig für die Infrastrukturfinanzierung bereitstehen, ohne dass diese Einnahmen durch sachfremde Verwendung gemindert oder anderweitige Mittelabflüsse gekürzt werden.
4. PKW-Maut: Preiswert, Flexibel und Sicher
Elektronische Systeme erfassen große Datenmengen zur Identifikation und Ortung von Fahrzeugen, mit deren Hilfe Bewegungs- und Verhaltensprofile von Fahrzeug und Fahrer erstellt werden könnten. Es bedarf also strikter Regelungen über die Nutzung und Speicherung der Daten, sowie entsprechende technische Ausarbeitungen (z.B. Verschlüsselung).
Solange diese Bedenken bestehen, sind die generellen Vorzüge der Vignettensysteme nicht von der Hand zu weisen: Sie sind weniger aufwendig, preiswert, flexibel und datenschutzrechtlich wesentlich unbedenklicher, was insbesondere bei flächendeckenden Erhebungen bedeutsam ist.
[1] EAC Positionspapier 2015, hier abrufbar: <https://www.eaclubs.org/european-passenger-car-tolls-1?lang=de>.
[2] C-591/17 Österreich/Deutschland, Schlussanträge vom 6. Februar 2019, hier abrufbar: <http://curia.europa.eu/juris/celex.jsf?celex=62017CC0591&lang1=de&type=TXT&ancre=>.
[3] C-591/17 Österreich/Deutschland, Urteil vom 18. Juni 2019, hier abrufbar: <http://curia.europa.eu/juris/celex.jsf?celex=62017CJ0591&lang1=de&type=TXT&ancre=>.
[4] EU-Weißbuch zum Verkehr 2011, S. 16, hier abrufbar:
<https://ec.europa.eu/transport/sites/transport/files/themes/strategies/doc/2011_white_paper/white-paper-illustrated-brochure_de.pdf>.
Stand: Juni 2019.