Rs. C-648/17 und Rs. C-100/18
Ein wichtiger Diskussionspunkt der europäischen Rechtsprechung in den vergangenen Monaten war die Definition des Begriffs „Verwendung eines Fahrzeugs“, im Sinne der Richtlinie über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung. Die 2009 im Amtsblatt veröffentlichte Richtlinie, wird seit 2018 auf Vorschlag der Kommission überarbeitet. In der aktuellen Fassung wird die Formulierung „insurance against civil liability in respect of the use of motor vehicles” verwendet, was explizit die „Verwendung“ („use“) eines Fahrzeugs vorschreibt. Diese Formulierung führte in der Vergangenheit jedoch zunehmend zu Rechtsunsicherheit, da der Geltungsbereich des Begriffs der „Verwendung“ nicht definiert war. Konsultationen und Rechtsurteile (siehe unten) erweiterten und definierten den Begriff zunehmend, sodass die Richtlinie nun angepasst werden sollte.
Im Newsletter Juni-Juli 2019 hatten wir bereits über ein Urteil des EuGHs zur Rechtssache C‑100/18 bezüglich der Interpretation des Begriffs „Verwendung eines Fahrzeugs“ berichtet. Im August 2013 geriet ein in der Garage eines Einfamilienhauses geparktes Fahrzeug, das seit mehr als 24 Stunden nicht mehr gefahren wurde, aufgrund eines technischen Defekts in der Strecke in Brand. Das Feuer verursachte Schäden am Haus in Höhe von rund 45.000 Euro, die von der Gebäudeversicherung übernommen wurden. Allerdings wollte die Versicherung das Geld von der Kfz-Haftpflichtversicherung erstattet bekommen, da der Schaden durch die „Verwendung eines Fahrzeugs“ verursacht wurde. Der Fall landete vor Gericht. Die spanischen Gerichte konnten jedoch nicht endgültig entscheiden, wie Artikel 3 der Richtlinie 2009/103/EG über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Durchsetzung der Versicherungspflicht für die Kraftfahrzeugbenutzung auszulegen ist und was unter den Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ fällt. Der EuGH hat am 20. Juni 2019 entschieden, die Richtlinie „dahin auszulegen, dass ein Sachverhalt wie der im
Ausgangsverfahren in Rede stehende – in dem ein in einer Privatgarage eines Hauses abgestelltes, entsprechend seiner Funktion als Beförderungsmittel verwendetes Fahrzeug Feuer fing, durch das ein Brand, dessen Ursache beim Schaltkreis des Fahrzeugs lag, ausgelöst und das Haus beschädigt wurde – unter den Begriff „Verwendung eines Fahrzeugs“ im Sinne der genannten Bestimmung zu subsumieren ist, auch wenn das Fahrzeug seit mehr als 24 Stunden vor Brandentstehung nicht bewegt worden war.“
Ein weiterer diesem Fall anhängender Fall ist Rechtssache C‑648/17 und ereignete sich am 24. Oktober 2008. An jenem Tag öffnete ein Mitfahrer des ersten Autos, das auf einem Parkplatz eines Supermarktes in Lettland geparkt war, seine Autotür und zerkratzte die Seite eines in der Nähe geparkten zweiten Autos. Der Fahrer des ersten Autos räumte seine Schuld ein und bestätigte, dass sein Beifahrer das zweite Auto mit der Hintertür des ersten Autos zerkratzt hatte. Der Besitzer des zweiten Autos machte daraufhin einen Anspruch auf seine eigene Versicherung geltend. Nach Abzug der Selbstbeteiligung zahlte ihm sein lettischer Versicherer eine Summe von nur rund 67,47 Euro. Der Versicherer des zweiten Autos beschloss dann, den Versicherer des ersten Wagens um die Erstattung dieser Kosten zu bitten. Jedoch verweigerte der Versicherer des zweiten Fahrzeugs die Erstattung der 67,47 €, da ein Unfall, der sich bei Stillstand beider Fahrzeuge ereignete, kein „versicherbares Ereignis“ im Sinne des lettischen Gesetzes sei. Der Fall ging durch alle Instanzen und der lettische oberste Gerichtshof wandte sich schlussendlich an den CJEU, da nicht abschließend geklärt werden konnte, ob der Begriff der „Verwendung eines Fahrzeugs“ das Öffnen der Türen eines stehenden Fahrzeugs umfasst; und wenn ja, ob sie eine Situation erfasst, in der ein Sachschaden durch die Benutzung des Fahrzeugs durch einen Fahrgast verursacht wird. Ähnlich wie in dem vorherigen Fall, urteilte der Gerichtshof, dass „ein Fall, in dem der Mitfahrer eines auf einem Parkplatz geparkten Fahrzeugs beim Öffnen der Tür dieses Fahrzeugs an das daneben geparkte Fahrzeug stößt und es beschädigt, unter den Begriff „Benutzung eines Fahrzeugs“ im Sinne dieser Vorschrift fällt.“
Nachdem 2018 der erste Vorschlag der Kommission kam, haben nun das Europäische Parlament als auch der Rat jeweilige Anpassungen und Vorschläge erarbeitet. Der Rat schlägt vor, den Begriff „Verwendung“ als ,,any use of such vehicle as a means of transport, that is, at the time of the accident, consistent with the normal function of that vehicle, irrespective of the vehicle's characteristics and irrespective of the terrain on which the motor vehicle is used and of whether it is stationary or in motion.” Dagegen enthielt die vom Parlament im letzten Jahr vorgeschlagene Definition des Begriffs „Verwendung“ einen expliziten Verweis auf die „Verwendung eines Fahrzeugs im Verkehr“, was eine weitere umfangreiche Definition von „im Verkehr“ erfordert. Der Vorschlag des Rates enthält keinen Verweis auf „im Verkehr“ und ist daher an die von der Kommission 2018 vorgeschlagene Definition des Begriffs „Verwendung“ angeglichen.
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